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Vorträge
Wolfgang Zessin, Zoo Schwerin: Einführungsvortrag
zum Thema “Was ist eine Art - taxonomische und
systematische Fragen” mit einigen Definitionen.
Das Monophylie-Kriterium zur Abgrenzung der Arten hat
sich noch nicht überall durchgesetzt, oft wird nur nach
den Kriterien “nicht-kreuzend” oder Abstammungslinie
argumentiert. Nach moderner Definition dürfte es den
Begriff “Reptilien” z.B. gar nicht mehr geben. Nicht oft
genug kann man betonen, daß etwa Gattungen künstliche
Gebilde zur Kategorisierung durch den Menschen sind,
aber keinerlei biologische Relevanz haben. Schon Dathe
forderte, Unterarten rein zu züchten, was sich aber
leichter fordern läßt als durchführen, wie am Beispiel
Giraffen deutlich wurde. Zum einen unterscheiden die
angelsächsischen Länder nur drei Unterarten, während
Kontinentaleuropa neun zählt, von denen in Zoos nur vier
in nennenswerten Stückzahlen vertreten sind, und auch
diese kaum in selbsterhaltenden Populationen, während
etwa ein Drittel der Tiere Unterart-Hybriden sind.
Bedenklich sei auch die “Speziesmacherei”, mit der
Unterarten in Artrang erhoben werden, um als
IUCN-Kategorie zu gelten oder um Sponsoren im
Artenschutz zu finden.
Mark Fischbacher, Zürich leitete seinen
Vortrag zu Collection Planning mit einem
Zeitungsausschnitt “Eisbären sind richtig lustig” ein,
um dann in epischer Breite auf die Geschichte der Zoos
von der Menagerie zum Naturschutzzoo einzugehen.
Besonders ausführlich auf einer Zeitskala wurden die
Eckdaten des Natur- und Artenschutzes seit 1960
erläutert, wobei auffällig ist, daß etwa alle zehn Jahre
eine wichtige Organisation gegründet wurde. Anschließend
gab er einen Überblick über die bestehenden EEPs mit der
provokanten These, daß die meisten Tierarten, die
in Zoos gezeigt werden, nicht stark bedroht seien
und Zoo-Populationen daher kaum einen Beitrag zum
Artenschutz leisten. Wie steht es also um die
Information der Besucher? Dazu ging er dem beliebten
Zitat von Baba Dioum «Letztlich werden wir nur erhalten,
was wir lieben. Wir werden nur lieben, was wir kennen.
Wir kennen aber nur, was wir selber gesehen und erlebt
haben.» auf den Grund, der weder Stammesoberhaupt noch
Philosoph, sondern Afrikanischer Agrarminister/
Staatssekretär sei und dies während einer IUCN-Rede
gesagt habe - im Original “...what we are tought” mit
völlig anderer Implikation. Daraus folge, daß solche
Infomation in Zoos unseriös und unglaubwürdig sei. Auch
das aufgebaute Freizeitpark-Image widerspräche dem
Anspruch. Die Forderung: Zoos müssen glaubhaft
vermitteln, warum sie Tiere halten.
Auf Entgegnungen der Zoodirektoren, namentlich der
Herren Zessin, Mühling und Revers, mußte nicht lange
gewartet werden. Sie verwahrten sich gegen
schulmeisterliche Alt-Argumente, betonten, daß
Artenschutz vorbeugend sein müsse und der gschilderte
Artenschutz-Begriff falsch sei, denn Auswilderung käme
nur bei einem Prozent der Tierarten in Frage, daher
sei die Konzentration auf diesen Aspekt eine zu enge
Sicht. Rainer Revers warnte davor, Vergnügungsparks
überhaupt erst als Konkurrenz anzusehen und mit ihnen
wettzustreiten, da dies in der Öffentlichkeit
(Zuschüsse!) nach hinten losgehe.
Helmut Mägdefrau, Zoo Nürnberg, listete
ganz unterschiedliche Punkte auf, was in Zoos
erhalten werden sollte. Er warnte vor
Unternehmensberatern, die gleich alles ändern wollen.
Interaktive Lernspiele dürfen nicht ablenken, sondern
müssen die Aufmerksamkeit auf das Tier richten.
Zu jedem Tier soll eine Story erzählt werden. Die
direkte Konkurrenz mit Freizeitpark zu suchen wird zur
Bauchlandung führen, denn “das haben wir nicht gelernt
und sind schlechter” - es geht vielmehr um kommunale
Unterstützung für eine kulturelle Einrichtung. Auch
Events sollen kein Selbstzweck sein, sondern z.B. Leute
wieder in den Zoo locken, die lange nicht da waren.
Im zweiten Teil des Vortrages stelte er den neuen
Aquapark des Zoo Nürnberg vor, den wir am zweiten Tag
während der Zooführung zu sehen bekamen. Zum Schluß plädierte er für
einige in der Öffentlichkeit und daher auch in manchen
Zoos umstrittene Praktiken wie natürliche Fütterung -
also bei Großkatzen auch mit ganzen Kadavern (Bengt
Holst, Direktor Zoo Kopenhagen: “Laßt den Kopf dran -
die Leute sollen die Augen sehen!”). Auch Aufzucht von
Jungtieren als wichtige monatelange Beschäftigung für
die Elterntiere und zur Vorbeugung vor dem Zusammenbruch
von Zuchtprogrammen bei vorübergehendem Zuchtstopp sei
wichtig (Beispiel Somali-Wildesel) - notfalls gegen
öffentliche Vorbehalte und EAZA-Empfehlungen, und auch,
wenn dann das Problem überzähliger Tiere gelöst werden
muß.
Rainer Revers, Zoo Salzburg,
beleuchtete das Problem der Großkatzenhaltung im
Zoo. Sie steht seit jeher in der Kritik der
Öffentlichkeit (Rilke-Gedicht, Mythos der unendlichen
Freiheit), während die Tiere in Zoos lange in paradox
winzigen Käfigen gehalten wurden. Zudem ist die
öffentliche Meinung vorgeprägt, was u.a. beim Tiger als
Flaggschiff-Art genutzt wird. Besucher erwarten
Großkatzen im Zoo. Nicht-Öffentliche Probleme im Zoo
sind, daß Großkatzen zwar leicht halt- und züchtbar
sind, aber die Geburtenregelung mit Komplikationen
verbunden ist. Sie sind oft nicht bedroht (Löwe), neigen
zu Stereotypien, sind dämmerungsaktiv und
bewegungsfreudig falls aktiv. Im Zoo fällt
Nahrungserwerb als Haupt-Verhalten fast ganz weg.
Lösungsansätze: Schöne Anlagen sind nicht genug.
Präventiv Glaubwürdigkeitsverlust vermeiden; Tierhaltung
ist nicht Ziel an sich (EAZA/EU-Zoo-Aufgaben).
Fazit: Haltung im Zoo muß revolutioniert werden. Große
Gehegeflächen (ab 1000 qm), reich struktuiert; radikal
auf bedrohte (U-)Arten beschränken. Erklären auch in der
Öffenbtlichkeit: Warum keine Auswilderung? Strikte
Vermeidung jedes “Gefängnis-Effektes”.
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